Mittwoch, 26. Dezember 2007

Eine kleine Bergpartie

20/12/2007, St. Arnaud, „Nelson Lake National Park“, Südinsel, Neuseeland. Früh aufgestanden für 5-Stunden-Wanderung. Schon wieder geduscht. Frühstück nur Zerrealien :- ) Fahren mit Akira zum Ausgangspunkt in 1100 m Höhe. Luft wird spürbar dünner. Würste, Käse, Brot, Energieriegel und Unmengen Wasser eingepackt. Es geht los. Schimmelnde Schimmelwälder mit Spinnweben und Farnen. 350 Höhenmeter später der erste Shelter. Keiner da. Weiter also. Flacher jetzt bis zum Gipfel. Aber nochmal 150 Höhenmeter. Kein Gipfelkreuz. Wind. Sonne. Drei-Wetter-Taft. Kein Kea unterwegs. Kein Verweilen. Zweiter Shelter. Flache Alm. Wir sind auf der anderen Seite und haben Ausblick auf den See. DOC-Hütte mit Deutschem aus Schleswig-Holstein. Wir lesen’s im Hüttenbuch. Er tut so, als verstünde er uns nicht. Wir tun auch so. Stärkung ist nötig. Bananenriegel gigantisch gut. Wir verputzen alles andere auch. Weiter geht’s. Bergab. Deutsche kommen uns entgegen. Unleugbar. Sprechen trotzdem Englisch. Es ist eh nicht mehr weit bis zur Talstation, versprechen sie (auf Englisch). Brauchen dennoch lange. Sehr lange. Wälder wie bei Blair Witch. Bachüberschreitungen. Vogelkunde: ein Robin? Ein Hut auf dem Weg. Nehme ihn mit. Vielleicht find ich ja sein Herrl. Hähä. Endlich wieder am Parkplatz. Ich frage. Der Hut gehört keinem. Fußweh. Socken ausziehen. Jetzt ein Kaffee oder was anderes zu essen ... (eric)

Anmerkung: Die 5-Stunden-Wanderung dauerte übrigens nur 3 ½ Stunden, darum hatte der Gute noch Fiebrigkeit über (siehe folgende Geschichte). Man könnte natürlich jetzt sagen, dass das unsere Leistung schmälert, weil wir uns eben viel kürzer angestrengt haben. Wir aber einigen uns darauf, dass es uns vielmehr zum Ruhm gereicht, denn was eine 5-Stunden-Wanderung zur 5-Stunden-Wanderung macht, ist ja nun wirklich nicht die Dauer. Es sind die Höhenmeter, die Distanz, die Menge abgesonderten Schweißes, die Menge eingespeister Power-Riegel, die Zahl der überstiegenen Bäche und der gefundenen Hüte. So können wir mit Stolz sagen, dass wir eine 5-Stunden-Wanderung in wesentlich kürzerer Zeit bewältigt haben, was uns für eine demnächste 8-Stunden-Wanderung nachdrücklich empfiehlt. (mela)

Sheldon ist tot! Es lebe Sheldon!

Seit ich 18 war, hab’ ich nicht mehr. Ich hab’s seit dieser Zeit nicht mal mehr versucht, aber wer es auch nur einmal gemacht hat, dem geht es dann nie mehr aus dem Kopf. Das geht wohl jedem so. Na jedenfalls hatte ich’s mir hier für Neuseeland vorgenommen und wollte es erst mal heimlich machen! Das stelle man sich mal vor, tja, aber gekommen ist’s dann ganz anders. Es war nämlich so: Nachdem wir im „Nelson Lakes National Park“ unsere Gipfel-Wanderung verschwitzt, aber zufrieden hinter uns gebracht hatten, wollte ich dem Ganzen noch ein kleines Krönchen aufsetzen und besorgte mir (zurück in St. Arnaud und aufgeregt ob des bevorstehenden überseeischen Höhepunkts) dann doch die benötigte Erlaubnis. Ja, die braucht man hier. Es muss alles seine Ordnung haben. Obwohl nun doch nicht heimlich, wollte ich dann aber wenigstens gleich. Wurde in meinem Eifer jedoch zurückgeworfen, da es in den kleinen Kaff nicht die nötige Ausrüstung gab bzw. alle Utensilien schon verborgt waren. Darum – nicht gezögert – ging es flugs ins benachbarte, nur 40 km entfernte Murchison, wo ich in einem Second-Hand-Laden um NZ$ 35,– alles bekam, was mein fiebriges Herz begehrte. Was sollte jetzt noch schief gehen? Um die Sache nicht unnötig in die Länge zu ziehen: Ich fand erst nicht die richtige Stelle und die Sandfly-Stiche an den nackten Körperstellen taten ihr übriges. So schliefen wir an diesem Abend ziemlich unbefriedigt und unsere Juckstellen kratzend ein. Entmutigt durch den ersten Misserfolg verließen wir am nächsten Morgen die Stätte der Niederlage und versuchten unser Glück nachmittags noch einmal. Neues Spiel, neues Glück. Und ... diesmal klappte es. Nach nur 30 Minuten holte ich ihn rein. 33 cm lang. Leider hatte ich keine Waage bei mir, aber er war schon nicht von schlechten Eltern. Im Freudentaumel und nach dem Exfreund, der bei „Harry und Sally“ leider nie auftritt, benamsten wir ihn Sheldon. Zur Feier des Tages nahmen wir in Westport ein Hostelzimmer und aßen ihn zum Dinner. Sheldon in der Pfanne. Mit etwas Schmorgemüse und einem leichten Weißen. Yum! (eric)

Bild zum Text



Sheldon in all seiner Pracht (gleich danach, viel später und kurz darauf). Sie sehen auf Fotos immer kleiner aus, als sie in Wirklichkeit sind. (eric)

How’s it goin’?

Es ist einfach nicht zum Aushalten. Egal wo du dich befindest, irgendwer quatscht dich immer an: Dave aus Denver an der Wasserzapfstelle „Hey guy, how’s it goin’“, bevor er dann an der Straße wartet und hofft mindestens 50 km mitgenommen zu werden. Jens aus Güterslohe vor dem Schaufenster für Sexartikel „How is it going, comrade?“, was weiß ich was erwartend. Und heute morgen sogar auf der Toilette: Ich summte gerade die Arie Nr. 5 aus „Le Nozze di Figaro“ gemütlich vor mich hin und bereitete mich so auf den fälligen Zahnwusch vor, da tönte es aus der Nachbarkabine „How’s it goin’, fella ...“. Und dann brabbelte der Aufdringling irgendwas von „... run out ... toiletpaper ...“ oder so. Ich hab ihn ignoriert. Nirgends ist man hier für sich allein. Man sollte sich wirklich irgendwann auch mal etwas Abstand verschaffen können. Also wischte und spülte ich, schnappte mir mein Döschen Weichspüler und ging Zähne putzen.
P.S.: Es ist durchwegs nett, wenn die Leute „ansprechend“ sind, aber nicht in jeder Situation. (eric)

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Sa, 15.12., Nelson (Norden der Südinsel)
Man hat einen etwas knatschigen Tag hinter sich. Hat gestern im Dunkeln einen Schlafplatz suchen müssen, was immer nervig ist und heute leicht verschiedenerlei Bedürfnisse. Wie das halt so ist.
Man sucht gegen Abend erneut einen Schlafplatz. Die am Stadtplan erschaute Grünfläche ist live noch mords belebt: Jugendliche spielen Spiele auf dem Riesen-Rasen, Familien lassen die Kinder von der Leine; und irgendwie ... irgendwie scheinen manche von ihnen dem Hügel dahinter zuzustreben, wo ein kleiner Weg in den Wald rauf führt. Als sich aus den paar Einzelnen ein kleiner Besucherstrom abzuzeichnen beginnt, weicht die leicht resignierte Laune neuem Interesse: Hier findet etwas statt.
Und wir gehen mit. Reihen uns zwischen jene, die wissen, wohin das alles führt, mit ihren Decken, Kindern und Laternen. Tun so, als ob wir es auch wüssten. Wandern mit den hübschen Mäandern und finden: lebende Installation, zauberisch und lustig, in Stationen. Angeschriebenermaßen führt der Weg zur Mitte Neuseelands, welche just auf der Spitze dieses Hügels anberaumt zu sein scheint. Eine Sirene bläst Seifenblasen, Mela küsst einen Fisch, auf eine Frau im Lehnstuhl fällt das Licht schon von hinten, zwei Weihnachtsfrauen verteilen Stollwerck ... und dann ... betreten wir einen leicht hingeneigten Hang, wo sich Grüppchen auf der Wiese niederlassen, eine einschlägige All-girls-Band Folk-Hadern anstimmt, Kinder herumwieseln und einfach nur gülden die Sonne untergeht. Das Hippiepärchen vor uns winkt ein weiteres Hippie-Pärchen heran, es herrscht durchdringende Harmonie und wir – obwohl ohne Decke, Kind und Wein – fühlen uns beschenkt.

P.S. „Und, was war’s jetzt?“ – Der Auftakt zum alljährlichen Nelson-Sommerfestival, wie wir zwei Tage später aus der Zeitung erfahren. Fazit: Mit Fremden immer mitgehen – bringt’s total!

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