Dienstag, 26. Februar 2008

Nachbetrachtungen


Wie sie so sind, die Neuseeländer

Manche sagen, es liege daran, dass die Pionierzeit hierorts erst 150 Jahre her ist. Wo man ohne Nachbarschaftshilfe verhungert wäre, bevor man den ersten Quadratmeter Wald hätte roden können. Andere sagen, es komme von der abgeschiedenen Lage. Wo man grundsätzlich froh ist über Fremde aus der großen Welt da draußen und stets erpicht auf ein Gespräch. Wie dem auch sei – das genuine Interesse an gänzlich fremden Leuten, die Aufmerksamkeit, mit der man ihre Problemchen erfasst, die Zeit, die man sich nimmt, um ihnen zu helfen; und ihre eifrige Begeisterung für das Paradies, in dem sie leben – das hinterlässt einen immer wieder mal kopfschüttelnd: Warum tun die das für uns?

Da ist zum Beispiel jener Unbekannte im Pick-up, der mit Karacho übern Randstein auf die Wiese brettert, wo wir grade rasten und fragt, ob wir hier übernachten wollen. „O-oh“, denken wir uns, „das hier sah gleich so gepflegt aus. Sind wir vielleicht nicht erwünscht?“ Allerdings können wir seine Frage ehrlichen Sinns verneinen. „Ach so“, sagt er unbekümmert, „ich hätte nämlich ein tolles Plätzchen gleich da hinten gewusst. Na, macht’s gut!“

Dann ist da der junge Mann, der in den Waschsalon kommt, als ich ratlos vor unserer nicht schleudern wollenden Maschine stehe. Sein „How’s it goin’?“ fasse ich als die verbreitete Grußfloskel auf, kann aber doch meinen Unmut nicht an mich halten und benenne das Problem. Wir unterhalten uns ein bisschen, er stellt fest, dass wir im Van nicht wirklich was mit nasser Wäsche anfangen können und bietet an – er wohne bei Freunden hier – dass wir unser Zeug bei denen daheim auf die Leine hängen können. Einsam supernett, aber wir wollen eigentlich weiter, werden also noch mal in einer anderen Maschine kurzwaschen, auf einen Schleudergang hoffen und dann den Trockner anwerfen.
Er geht wieder. Jetzt erst stelle ich fest, dass er nicht hier war, um seine Wäsche zu waschen. Sondern wegen mir. Er und die Freunde sitzen nämlich nebenan im Café und haben wohl schon eine Weile beobachtet, wie ich vergrübelt bis missmutig hin- und herrenne; und – typisch Kiwi – helfend eingegriffen.

Und dann ist da noch – unter vielen anderen, die mal eben den Weg vorfahren, uns die Zeitung schenken, am Berg wie alte Bekannte grüßen – unser Hostel-Manager Campbell. Der – obwohl’s ihm ziemlich wurscht sein könnte, was seine Gäste so treiben, solang sie ihre Zeche zahlen – es nicht auf sich beruhen ließ, dass immer wieder welche darunter waren, deren überteuert gekaufte Autos zu ihrer Verzweiflung nach ein paar Tagen eingingen – sondern stattdessen car-inspector Ken ansprach, ob er nicht zuverlässige Autos an- und „seinen“ Backpackern verkaufen wolle. Der uns am Schluss anbot, den Van für uns zu verkaufen, falls wir es vor der Abreise nicht mehr schaffen. Trotz der leicht schiefen Optik, wenn der Manager des Hauses seinen Gästen was andreht. Und ohne Provision.
Einfach gold, diese Leute.

Donnerstag, 14. Februar 2008

Nachtrag: die letzte Woche in Neuseeland (5.2. bis 9.2.2008)


Denjenigen Neuseeländern, die der Arbophilie frönten, möchten wir an dieser Stelle danken: Danke. Danke für den Einsatz zur Rettung der letzten Kauri-Baumbestände der Welt.
Nach einem ausgiebigen Frühstück im „Byzantium“ machten wir uns am 5. Februar auf, den hohen Norden zu besuchen. Trotz des damoklid über uns hängenden noch zu bewerkstelligen Autoverkaufs und der bereits erwähnten Eric-Muskelentzündung (ja, da ist was zum Entzünden) brausten wir rasant durch Helensville und Wellsford bis Brynderwyn, von wo aus wir uns weiter nach Westen zur sogenannten Kauri-Coast durchschlugen.
Da wir planen ein eigenes Traktat zum Kauribaum zu verfassen, möchte ich mich hier kurz fassen: Besuch des Kauri-Museums und grandioser Ausflug in die Kauriwälder (siehe Foto 1). Dann war’s aber auch schon wieder Zeit für’s Abendessen. Als Kulisse ein genialer Aussichtspunkt am Hokianga Harbour ... (kein Foto hierzu)
Falcos Todestag ist den Neuseeländern besser bekannt als Waitangi-Day. Vor nunmehr 168 Jahren haben die von französischen Besitzergreifungsversuchen hochgeschreckten Engländer einen fiesen Coup gelandet: Der Vertreter der englischen Krone ließ die versammelten Maori-Häuptlinge einen missverständlichen Vertrag unterzeichnen, der den Engländern quasi das Regierungsrecht im Maoriland sicherte (mehr auch hierzu in einem selbständigen Artikel, so es noch dazu kommt :-) Wir nutzten die Gelegenheit und waren für euch vor Ort, nämlich im nämlichen Waitangi. Die alljährlichen Demonstrationen und Kundgebungen wurden heuer durch zur Genüge anwesende Uniformierte entschärft. Folge war eine Art riesiger Jahrmarkt mit Unterhaltungsprogramm für die Unmassen von Aus- und Einheimischen (siehe Foto 2 oben). Diesen Massen zu entgehen, schifften wir uns alsbald ein, um die andere Seite der Bucht zu erkunden. Hier hat in den Jahren nach 1840 ein Maori-chief (Honge Heke) den britischen Fahnenmast in Russel, der damaligen Hauptstadt Neuseelands, viermal umgesägt – quasi eine maibaumstehl-ähnliche Aktion, die aber von den Briten nicht mit dem obligaten Fass Bier honoriert wurde, sondern schließlich zu den neuseeländischen Landkriegen führte ... (siehe Foto 2 unten). Wir schafften es, auch dieser Idylle zu entkommen und übernachteten auf der Strecke nach Auckland in der Nähe einiger von Wahlneuseeländer Hundertwasser entworfenen Toiletten (!!!)
Am Weg nach unten liegt ein böhmisches Dorf: Puhoi. Rund 70 Einwohner der Gegend um Pilsen machten sich in den 1860ern hierher auf – in Vorfreude auf eigenen Grund und Boden. Den bekamen sie dann auch, in Form von dichtem Urwald, in dem sie erst mal fast verhungert wären. Aber dann ging’s bergauf und brachte Neuseeland böhmische Tänze und Trachten.
Der Abend sah uns bereits wieder in Auckland neue Flugblätter in Hostels verteilen und den bereits beschriebenen Vorstoß an die ACB-Front unternehmen.

Gärten und Gäule


Mo, 04.02.
Nach stilvollen Gärten aus aller Welt in Hamilton noch ein kleines Highlight: die Rasse- und Klassepferdeauktion in Süd-Auckland. Hochtourige Hottehühs, die vor Nervosität die Arena zusch...en. Bis zu 60.000 Dollar (35.000 Euro) sehen wir pro Gaul übern Ladentisch gehen.
Abends eine Hosteltour mit unseren Flugblättern, die nicht wehtut.

Sonntag, 10. Februar 2008

Bye-bye, Akira!


10.02. Abflugtag!
Elf Uhr drei vormittags. Oh Mann! Erleichterung. Wir haben’s geschafft: Unser Akira hat ein gutes Plätzchen gefunden – aber es war hart. Die ganze letzte Woche im Nordland war unterlegt mit einem feinen Teppich ängstlicher Spannung. Mit Highlights wie den Kauribaumriesen; mit Tiefs á la „Keiner will unser Auto.“
Wir haben sicher 25 Hostels in ganz Auckland angefahren, Zettel ausgehängt. Kein Schwein ruft uns an. Wir haben’s ins Internet gestellt, kein Schwein mailt uns. Dabei ist er doch ein guter, der Akira! Wenn auch hauptsächlich innerlich ...
Wir haken ab:
Plan A: Internet. Kein Erfolg. Wir schreiben zwei Kaufgesuche an, einer sagt nach etwas Gemaile schließlich ab, die andern antworten gar nicht.
Plan B: Hostel-Aushänge. Kein Erfolg. Ein Anruf kommt, wir sind grad der Fahrt und Mela derglengt in der Hektik das Handy nicht aus ihrer Cargotasche. In-den-A...(pfel)-beiß’! Wir rufen zurück, es kommt ein Fax-Ton.
Plan C: Unser Hostel. Es schneit jemand rein, frisch vom Flieger, der ein Auto braucht. Kein Erfolg. Am 09.02. abends treff ich einen Deutschen, der grad von seinem Zimmernachbarn ein Auto gekauft hat. Ein Van wär’ ihm lieber gewesen. Wären wir gestern schon hier gewesen, statt uns die Nacht zu sparen und im Park zu schlafen, dann hätte er bei uns gekauft. Doppel-in-den-A...-beiß’!
Plan D: Automarkt in der Innenstadt. Kein Erfolg. Acht Vans zum Verkauf, zwei Käufer in 4 Stunden. Einer kauft ein Auto, der andere nix. Wenn das mal keine Pechsträhne wird.
Jetzt werden langsam die Pläne knapp. Plan E ist der Automarkt außerhalb der Stadt – größer und aussichtsreicher. Und wenn alle Stricke reißen, hat uns unser unschlagbarer Hostel-Manager zugesagt, er würde das Auto für uns verkaufen. Ohne Provision.

Aber am 09. abends packt uns doch ein bisschen die Panik und als wir in der Hostelküche hören, wir sollten uns doch einfach vors größte Hostel von Auckland parken und ein bisschen Werbung machen, da lassen wir unser Abendessen sausen und machen das. Die Zwanzigste ist Svenja. Ja, sie sucht wirklich einen Van, bleibt ein Jahr und wirkt supernett. Wir verabreden uns, dass wir sie morgen früh mit raus zum Markt nehmen – da können wir einen Mechaniker-Check und im Fall des Falles die Ummeldung machen. Und fair genug: Sie kann sich noch was anderes ansehen.
Sonntag morgen regnet es. Das erste Mal seit langem. Wir fahren gemeinsam raus, das Wetter lädt nicht unbedingt dazu ein, sich die anderen 30 Vans genauer anzuschauen. Lieber ein Kaffee unter Akiras Heckklappe. Sie will sogar fischen lernen, Eric gibt ihr einen Schnellkurs, seine Ausrüstung bleibt sowieso da.
Ein junger Pakistani möchten eine Testfahrt. Machen wir auch, gefällt ihm, er möchte einen Mechaniker-Check. Hm. Jetzt stellen wir Svenja vor die Wahl – sie war schließlich zuerst da. Und sie will ihn. Ohne den 90-Euro-Check. Wir kennen uns jetzt. Juhu!
Nach Aufstehen um 6, nach einer sowieso durchzogenen Nacht der Entscheidung zwischen Abschiedsschmerz und Vorfreude, ankommen am Markt um 8 und offiziellem Beginn (für Käufer) um 9 sind wir um 9.17 auf dem Rückweg in die Stadt.
Hier ab zum Bankomaten, ins Hostel für die Versicherung, ein sentimentales Abschiedsfoto mit unserm Schatz und viele gute Ratschläge. Bye, bye, Akira! Uff! Heul! Freu! (mela)

Samstag, 9. Februar 2008

Der Weg nach oben


So, 03.02.
War nicht so ereignisreich. Hauptsache Richtung Auckland, denn da müssen wir vorbei, um unser Auto auszuhängen. Eric gehandicappt vom Schmerz, Mela vom Linksverkehr, Eric von Melas Fahrgeschwindigkeit, die doch tatsächlich an die erlaubten 110 km/h grenzte. Eine kleine Auswahl lokales Biobier wurde eingeladen. Awakino-Schlucht war schön. Die berühmten Glühwürmchenhöhlen von Waitomo machten wir dann doch auch. War auch schön, die stille Bootsfahrt unterirdisch, mit Lüstern aus leuchtendem Larvenschleim. War auch viel Eintritt.
Dafür ist abends – wir parken vor einem Kiwihaus, das wir morgen besuchen wollen – einer der Locals so nett, uns zu verraten, dass wir sie auch gratis heute ab 9 im Freigehege sehen könnten. Was uns den ersten (und letzten) lebenden Kiwi unserer Reise beschert. Juhu. Dafür lassen wir uns auch von der 1001ten, 1002ten und 1003ten Sandfliege beißen.

Eins-Zwei-Eins-Zwei


Sie trugen zwar wenig zur Erholung bei, waren aber durchaus abwechslungsreich – Jedenzweitentagsausflüge. Selten war eine Übereinkunft zwischen Host und Wwoofern so stimmig: ein Tag arbeiten, ein Tag frei – juhu! Fels- und sandbestrandete Strände, flussdurchflossene und farnbewaldete Wälder, historisierende und museal anmutende Museen und allabendliche Abendveranstaltungen (u. a. Privatkino) waren vor uns zwei beiden nicht sicher. War echt nett da. Ja gut, erwischt. Es hat mir gefallen. New Plymouth hat einiges zu bieten, und könnte man sich einen Ort aussuchen, um dort zu bleiben, dann wär es hier schon sehr schön – zwischen Vulkan und Meer, da, wo einige Maorichiefs lange vor Ghandi den gewaltlosen Widerstand probten, wo andere Maorichiefs Kriege begannen, und wo erstmals in der Verschiffungsgeschichte Butter so gelagert wurde, dass sie den Transport nach London heil überstand. So Gott und die Air New Zealand wollen, werde ich daheim einen Nachtragsblog über die neuseeländische Geschichte verfassen ... (eric)

Nachtrag
Zur Genialität der Hosts trug, nicht zu vergessen, ein schlicht perfektes Heimkino über der Garage bei: etwa 30 Sitzplätze für die Freunde vom Filmclub, hunderte DVDs aus der Arthousefilmsektion, eine maximal große Leinwand, Sofas, Teppich, Sichtdachbalken, edle weiße Vorhänge. So sahen wir den genialen „Jeanne d’Arc“ von Dreyer (Stummfilm, sehr expressiv). Andernabends gab’s den viel mühsameren Godard „Tout va bien“.
Auch bei trug ein Barbecue mit Freunden, worunter sich der PR-Chef von Helen Clark befand. Was ihrerseits die Premierministerin dieses schönen Landes ist. Ein scharfes Foto von uns brachte er allerdings nicht zustande. Schön schwach.
Auch bei trug der riesige städtische Park gleich neben unserem Garten, wo per Sommerfestival jeden Abend Konzerte waren. Eine Bigband, eine Maori-Tanztruppe, die mit viel Spaß und Kindern Poitänze und Hakas aufführte. Klasse.
Auch bei trug der grandiose Pool, den wir nach der Arbeit (oder dem freien Tag) bespringen konnten.
Und nicht zuletzt bei trug noch die Geschichte von der Leiche im Keller, soll auf Neuseeländisch heißen: dem Pinguin im Gefrierschrank. Was macht man auch mit einem geschützten Gelbaugenpinguin, wenn der sonst so friedliche Haushund ihn mal gerissen hat? –
Jetzt liegt er schon 20 Jahre dort. Genau wie die Reste der Hochzeitstorte.

Hard Times


Okay, müde hin. müde her. Wenn man das Tief einmal überwunden hat ... dann geht es meistens genauso weiter. Schuften, schuften, schuften. Puh :-) Die folgenden Tage mussten wir Schulklassenzeichentische wischen, Begabtenmalwettbewerbszeichnungen arrangieren, Verwilderungsgoarseweidezonen beschneiden, Jungkuhohren markieren (die Ohren von Kälbern tackern), Altkuhvorderfußhornauswüchse schnoaten (zwicken und hobeln), ebenso die von Pferden (da fällt was ab!), Farmtierausscheidungsverhärtungen schaufeln, Elektrozaunverdrahtungsmasten setzen und Pferderückenschweißrückstände abwaschen. Der Rücken biegt sich, die Sehnen bersten, Rotz trieft aus der Nase. Man kennt das ja – Überanstrengungsmerkmale erster Güte. Aber es wird alles wieder gut. Ich kann das jetzt so schreiben, denn inzwischen sind viele Tage vergangen und ich sitze gerade auf dem Automarkt und warte auf potenzielle Käufer für unseren Akira. Wie auch immer: Inzwischen ist meine Schulter wieder einigermaßen okay. Fans, macht euch keine Sorgen :-) (eric)

Kommentar
Goarse ist jenes irre Dorngestrüpp im Bilde.
Erics Schulter war am Tag nach unserer Abfahrt von New Plymouth (am 3.2. also) so weh, dass er nicht aus seinem T-Shirt kam, ohne meine geschätzten Hilfestellungen. Muss eine Art Muskel- oder Sehnenentzündung gewesen sein. Naja. Mit Schmiere von Diana, Fasche aus der Apotheke, Parkemed aus der Reiseapotheke und Mela am Steuer des Akira wurde es langsam besser. Letzteres war aber wohl nur für die Physis des Beifahrers zuträglich ...
Das Schuleputzen war voll nett. Diana unterrichtet nämlich Kunst in einem recht abgelegenen Ort und hat uns netterweise auf dem Weg auch noch einen super Strand und ein Heimatmuseum gezeigt.